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Pressemeldung

Autorisierung von Chromtrioxid nach REACH: Folgenbetrachtung einer Schwerpunktverlagerung

Wer die Vorgänge um die Autorisierung von Chromtrioxid gemäß REACH-VO verfolgt, muss feststellen, dass die Diskussion über die Anträge auf Autorisierung in der Oberflächenbranche schwer nachvollziehbar geworden ist. Insbesondere für die sogenannten Upstream-Autorisierungen großer Konsortien haben sich die Anforderungen im Vergleich zum Beginn des Prozesses stark verschoben. Der Zentralverband Oberflächentechnik e.V. (ZVO) analysiert die Folgen:

Wo und wie verchromte Produkte weiterverarbeitet bzw. eingesetzt werden, entzieht sich oft der Kenntnis und dem Einfluss des Galvanikunternehmens – wird aber von der ECHA bei der Autorisierung erwartet.

Ursprünglich ging es darum, eine Zulassung für die Verwendung von Chromtrioxid in der galvanotechnischen Industrie zu erhalten. Die Regeln des Zulassungsverfahrens fordern dabei vom Antragsteller eine Darstellung des Nutzens der Anwendung von Chromtrioxid im Verhältnis zum Risiko, das von der jeweiligen Art der Verwendung des Gefahrstoffs ausgeht. Ist der Nutzen der Anwendung größer als das monetär zu beziffernde Risiko, so ist dies ein wichtiges Argument, eine weitere Autorisierung zur Verwendung des Gefahrstoffs zu erteilen. Diese sogenannte sozioökonomische Betrachtung kann aber, je nach Standpunkt, völlig unterschiedlich interpretiert werden.

Für den Vertreter eines Galvanikunternehmens ergibt sich die Wertschöpfung unmittelbar aus dem Beschichtungsprozess unter Verwendung von Chromtrioxid. In der Theorie sollte dies der einzige Aspekt sein, den der Antragsteller zu beachten hat, da er nur diesen selbst verantwortet.

Andererseits haben gerade verchromte Bauteile eine weit verbreitete Anwendung über eine Vielzahl von Industriesektoren hinweg und sind nur durch andere Prozesse zu ersetzen, wenn die daraus folgenden negativen Auswirkungen in Kauf genommen werden. Beispiele hierfür sind höhere Kosten, geringere Qualität oder Beschränkung auf spezielle Grundmaterialien.

Bei Trilogen mit der ECHA in Helsinki – einem Bewertungsworkshop mit Antragsstellen, Vertretern der ECHA und anderen Interessensgruppen – stellte sich heraus, dass die Definition der Verwendung von Chromtrioxid je nach Standpunkt des Betrachters deutlich unterschiedlich sein kann. Während die Anwender in der Galvanotechnik zwischen den unterschiedlichen Verchromungsverfahren und damit zwischen den Expositionsszenarien unterschieden haben, fokussieren sich Branchenfremde eher auf die Verwendungen der verchromten Produkte nach dem Herstellungsprozess in bestimmten Anwendungen, wie zum Beispiel der Militär- oder Luftfahrtindustrie.

Mittlerweile scheint sich der Schwerpunkt dahin verlagert zu haben, eine Genehmigung für die Weiterverarbeitung von Produkten in den Branchen zu erhalten, welche die mit Chromtrioxid beschichteten Teile zu bestimmten Produkten weiterverarbeiten. Eine Übersicht zeigt das PDF unter folgendem Link:

Beispiele in der Übersicht der Upstream-Anträge als PDF

Die Beherrschung der Risiken der eigentlichen Technologie scheint bei der Bewertung nicht mehr im Vordergrund zu stehen. Stattdessen wird eine Transformation der Produktionsketten erwartet. Damit stellt sich sofort die Frage, ob sich die Autorisierungsverpflichtung an den richtigen Adressaten wendet, da der Beschichter hier keinerlei Einfluss hat. Oftmals hat er nur unzureichende Informationen über den späteren Einsatzzweck des Bauteils, das er beschichten soll.

Sinnhaftigkeit des Ansatzes

Klar ist, dass nicht der Beschichtungsvorgang selbst die benötigten chemischen und mechanischen Eigenschaften festlegt, denn die sind durch die kundenseitig festgelegten Vorgaben für die chemische Zusammensetzung – und damit deren Eigenschaften – der Oberfläche aus elementarem Chrom definiert. Stattdessen werden seitens der zuständigen Behörden der EU (KOM und ECHA) Substitutionspläne verlangt, die sich unvermeidlich mit der technischen Veränderung der Endprodukte auseinandersetzen müssen. Denn wo chrom(III)-basierte galvanische Beschichtungen technisch nicht einsetzbar sind, wäre eine Substitution von Chrom(VI) in der Galvanik naturgemäß nicht möglich – der Kunde erwartet eine daraus hergestellte Chromschicht. Dennoch verlangen die zuständigen Gremien und die EU-Kommission eine Auseinandersetzung mit alternativen Beschichtungen für das Endprodukt; auch wenn es sich um eine Technologie handelt, die ein Galvanikunternehmen gar nicht beurteilen kann. In den meisten Fällen kann nur das Unternehmen, welches das Bauteil verwendet, beurteilen, wie groß der Nutzen der spezifischen Oberfläche ist. Als Beispiel soll die dekorative Echtmetallverchromung eines Parfumflaschenverschlusses dienen: Dieser könnte auch aus billigstem Kunststoff ohne Beschichtung hergestellt werden, wird aber bei hochwertigeren Produkten aufwändig hergestellt, da dadurch beim Kunden ein wesentlich besserer Preis zu erzielen ist. Nur der Parfumhersteller selbst kann beurteilen, zu welchem Grad die aufwändige Beschichtung für ihn ökonomisch sinnvoll ist. Ob eine alternative Oberfläche die Marktanforderungen erfüllen kann und wieviel geringer oder höher der zu erzielende Preis des alternativen Endprodukts ist, kann der Galvaniseur nicht ermitteln

Das galvanische Unternehmen soll demnach also die technischen Anforderungen seiner Kunden vorwegnehmen und sich gegebenenfalls selbst als Lieferanten in Frage stellen.

Autorisierung der Verwendung bei Servicedienstleitern

Die Galvanotechnik ist zum überwiegenden Teil nicht auf bestimmte Branchen festgelegt. Stattdessen ist die industrielle galvanische Beschichtung im Wesentlichen durch Bauteilgrößen, also die installierte Apparategröße, begrenzt. Welche Verwendung die vom Kunden beigestellten Bauteile später haben werden, ist von untergeordneter Bedeutung. Der Oberflächenbeschichter bietet eine chemisch und physikalisch definierte Oberfläche an und der Kunde muss entscheiden, ob deren Eigenschaften seinen speziellen Anforderungen genügen. Dies gilt vor allem für Lohnbeschichter, die als Servicedienstleister für breite Bereiche von Industrie und Handwerk auftreten. Sie sind es, die überwiegend gemeinsam in den Upstream-Autorisierungen nach Zulassung streben. Viele dieser Unternehmen sind viel zu klein, um selbst die bürokratischen Hürden zu nehmen und gleichzeitig ganze Herstellungsketten zu durchforsten, um Technologien für die Kundenbranchen zu finden, die sie selbst nicht anbieten können.

Autorisierung für die Beschichtung von branchenspezifischen Bauteilen oder bei Inhouse-Galvaniken

Die neueren Entwicklungen bei Behörden und Industrie legen nahe, dass verstärkt Zulassungen für spezifische Anwendungen erteilt werden sollen. Dies zeigen nicht nur die Diskussionen um die bereits gestellten Anträge. So sind Anträge von Inhouse-Galvaniken, die sehr präzise mit Risiko- und Nutzen-Abwägungen arbeiten und dabei die Gesamtwertschöpfung des Fertigteils berücksichtigen können, bereits genehmigt worden. Diverse branchenspezifische Zusammenschlüsse versuchen, die dringend benötigten verchromten Bauteile zumindest für den eigenen Bedarf zu sichern. Gleichzeitig fokussiert sich die EU-Kommission auf den nächsten kommenden Regulierungsansatz: Den „essential use“. Gemäß diesem Prinzip sollen gefährliche Substanzen nur noch verwendet werden dürfen, wenn sie für die Herstellung von Produkten benötigt werden, die für die Gesellschaft als unabdingbar – eben „essenziell“ – angesehen werden. Dies eröffnet offensichtlich einen großen und vor allem kaum vorhersagbaren Interpretationsspielraum. Was für den einen in Europa überlebenswichtig erscheint, kann für den anderen überflüssig oder zu gefährlich sein.

Für viele Beschichter würde dies bedeuten, dass nur ein Teil ihrer Beschichtungsaufträge erhalten bliebe. Dies wäre gleichbedeutend mit einem entsprechenden Umsatzverlust. Weder EU-Kommission noch Kundenkonsortien scheinen zu realisieren, dass dieser Umsatzverlust schnell die wirtschaftliche Existenz der Galvaniken in Frage stellen kann, womit auch die Fertigung der autorisierten Bauteile obsolet würde. Eine Kompensation aus anderen Branchen ist durch die begrenzende Autorisierung nicht möglich.

Mögliche Auswirkungen

Die derzeit eingeschlagene Richtung der EU-Behörden bei der Autorisierung von Chromtrioxid wird voraussichtlich mindestens folgende Nebenwirkungen haben:

  1. Serviceleistende Unternehmen (Lohnbeschichter) ohne fest abgesteckten Produktrahmen werden möglicherweise nicht unerhebliche Teile ihres Beschichtungsumsatzes verlieren, da sie nicht selbst von der Wertschöpfung profitieren, die ihre Kunden über die nachfolgenden Verwendungen erzielen.
  2. Die Produktdiversität wird abnehmen. Gleichzeitig wird eine Konzentration der Unternehmen erfolgen müssen. Neugründungen/Startups, auch für wertschaffende Produktionsketten, sind aufgrund fehlender langfristiger Planbarkeit kaum mehr möglich. Das wird zu einer Monopolisierung oder Oligopolisierung der Märkte führen. Diese Auswirkungen sind schon jetzt bei den Chemieunternehmen zu beobachten.
  3. Defensive Forschung und Entwicklung wird vielfach zu einer Abnahme der Qualität der veränderten Produkte führen. Es erfolgt ein Zurückdrehen jahrzehntelanger Fortentwicklung. Auch werden Neuentwicklungen, die wiederum eine ausreichende Wertschöpfung für eine Autorisierung hätten, gar nicht erst entwickelt, weil eine spätere Verwendbarkeit nicht sichergestellt ist. Denn anders als im „Green Deal“ der EU-Kommission angenommen, gibt es kein „toxic-free“.
  4. Die verringerte Qualität, insbesondere eine verkürzte Lebensdauer, verursacht erhöhten Ressourcen- und Energiebedarf.
  5. Zahlreiche Auswirkungen auf nachgelagerte Prozesse (Transport, Herstellungsprozesse, Maschinenbau) werden erst verzögert sichtbar werden.

Inwieweit diese Nebenwirkungen beabsichtigt sind oder billigend in Kauf genommen werden, kann an dieser Stelle nicht entschieden werden. Zusammen mit den vielen anderen Transformationen in Industrie und Gesellschaft sind die Folgen in vielen Lebensbereichen kaum absehbar und nicht notwendigerweise positiv.

Anstelle der Verbote von Chemikalien sollte die EU sich eher auf die Definition und Überwachung der Einsatzbedingungen konzentrieren. Dazu müssen die nationalen und lokalen Behörden die Vorgaben der Gesetzgebung umsetzen, die größtenteils schon vor REACH gegeben waren.

Kontakt

Birgit Spickermann
Referentin Presse und Kommunikation

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